Für mehr Sicherheit – Gerüstbau nach der neuen TRBS 2121-1

An einem Haus wird von mehreren Männern ein Gerüst aufgebaut.Foto: © stux, Lizenz: Creative Commons CC0 1.0, Quelle: pixabay.com

Es ist ein heikles Thema: das richtige Maß zwischen Bürokratie und Sicherheit auf Baustellen. Um die dritthäufigste Ursache für tödliche Unfälle am Bau – Stürzen von Gerüsten – zu verringern, wurden jetzt dennoch mit der Überarbeitung der TRBS 2121 Teil 1 einige neue Regelungen getroffen. Seit Januar 2019 sind diese Vorgaben zum Schutz vor Absturz von Gerüsten nun in Kraft getreten. Die Kollegen der Gemeinhardt Gerüstbau Service GmbH erklären, was beim Gerüstbau zu beachten ist.

Was ist die TRBS 2121-1 überhaupt?

Unter den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (kurz TRBS) wird ganz allgemein erst einmal eine Konkretisierung der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) verstanden. Sie ermitteln und bewerten potentielle Gefährdungen auf Baustellen und versuchen geeignete Schutzmaßnahmen davon abzuleiten. Dafür werden stets der aktuelle Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und Hygiene sowie alle anderen gesicherten Erkenntnisse der Arbeitswissenschaft herangezogen und berücksichtigt.

Die TRBS ist zwar nicht rechtsverbindlich, wendet ein Arbeitgeber diese aber an, so kann er zumindest davon ausgehen, dass die grundlegenden Anforderungen von Gesetzen und Verordnungen erfüllt sind. Wird eine andere Lösung als die beschriebenen Maßnahmen ergriffen, muss damit mindestens der gleiche Sicherheitsstandard erreicht und nachgewiesen werden.

Die TRBS 2121-1 im Speziellen umfasst nun allgemeine Anforderungen bezüglich der Ermittlung, Bewertung und Verhinderung von Absturzgefährdungen von Beschäftigten durch die Verwendung von Arbeitsmitteln. Übersetzt bedeutet das, dass hier vor allem der Gerüstbau unter die Lupe genommen wird, um Abstürze von Arbeitern auf Baustellen möglichst zu vermeiden. Dazu wurden verschiedene neue Regelungen bezüglich der Planung, Prüfung und Dokumentation beim Gerüstbau erstellt.

Was zählt im Sinne der TRBS als Gerüst?

Bevor wir uns den Maßnahmenkatalog für mehr Sicherheit beim Gerüstbau näher anschauen, wollen wir aber erst einmal klären, was als “Gerüst” gemäß der TRBS überhaupt zählt. In den Technischen Regelungen heißt es, ein Gerüst ist:

  • eine vorübergehend errichtete Baukonstruktion veränderlicher Länge, Breite und Höhe;
  • es wird an der Verwendungsstelle aus Gerüstbauteilen zusammengesetzt, ordnungsgerecht benutzt und dann wieder auseinandergenommen.

In die Verantwortung für eine regelgerechte Verwendung des Gerüstes sind zum einen die Gerüstersteller, also die Arbeitgeber deren Beschäftigte die Montage (Auf-, Um- und Abbau des Gerüstes) übernehmen. Zum anderen zählen dazu aber auch die Gerüstnutzer, also die Arbeitgeber jener Angestellter, die das Gerüst (fachgerecht) gebrauchen.

Zwei Gerüstarten

Ganz grob kann man zwei verschiedene Arten von Gerüsten unterscheiden, die auch verschiedenen, in separaten Normen festgehaltenen Ansprüchen genügen müssen: Das Arbeitsgerüst und das Schutzgerüst.

Wie der Name schon vermuten lässt, dient das Arbeitsgerüst dem Tragen der Beschäftigten, ihrer Werkzeuge und dem erforderlichen Material, während die baulichen Tätigkeiten ausgeübt werden. Das Schutzgerüst hingegen bewahrt die Angestellten entweder davor, selbst tief abzustürzen oder aber von herabfallenden Gegenständen getroffen zu werden.

Grundlegende Anforderungen an Gerüste

Um ein Gerüst als sicher bewerten zu können, ergaben sich bei zahlreichen Gefährdungsbeurteilungen der Konstruktionen drei grundlegende Ansprüche. Diese müssen gewährleistet sein, um gut geschützt arbeiten zu können.

  • Ein Gerüst muss standsicher sein (Umstürzen ausgeschlossen).
  • Gerüstkonstruktionen müssen über einen sicheren Zugang erreicht werden können.
  • Abstürze von Gerüsten müssen durch speziell dafür angebrachte Einrichtungen verhindert werden.

Gerüstbau nach TRBS 2121-1: Das müssen Sie wissen

Um Chaos und Pfuscherei am Bau komplett einen Riegel vorschieben zu können, sind wohl die beiden wichtigsten Punkte der TRBS 2121-1, dass eine Planungs- und Dokumentationspflicht beim Gerüstbau zu erfüllen ist. Das umfasst vor allem sogenannte Montagepläne und Pläne zum Gebrauch. Aber auch weitere Schutzmaßnahmen während des Baus sowie die Verantwortung zur Prüfung sind wichtige Inhalte.

Der Montageplan

Eine detaillierte und auf das jeweilige Gerüst zugeschnittene Anleitung für den Auf-, Um- und Abbau ist der erste Schritt bevor der eigentliche Gerüstbau überhaupt beginnt. Dieser Montageplan ist entweder vom Gerüstersteller selbst oder einer von ihm beauftragten, fachkundigen Person zu erstellen. Er muss zahlreiche Angaben beinhalten, zum Beispiel:

  • Grundmaße des einzurüstenden Objektes sowie die Gerüstbauart,
  • Abstände, z. B. zum Gebäude oder zur Traufe,
    • Art und Anzahl der Zugänge (mindestens alle 50 m)
    • auf dem Gerüst während der Montage,
  • für den späteren Gebrauch des Gerüstes durch den Gerüstnutzer,
  • Verankerung und Verankerungsgrund, Abstützung, Abspannung oder Ballastierungen bei freistehenden Gerüsten,
  • Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz (z. B. Geländer oder eine persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz),
  • Kennzeichnung und Absperrung des äußeren Gefahrenbereiches während der Montagearbeiten,
  • Einflüsse aus der Umgebung (z. B. Gefahrstoffe, Freileitungen, öffentlicher Verkehrsraum),
  • ergänzende Angaben zur allgemeinen Aufbau- und Verwendungsanleitung bei Abweichungen von der allgemein anerkannten Regelausführung,
  • Name der fachkundigen Person (Aufsichtführender) des Gerüsterstellers,
  • Angaben zum Zeitpunkt der Prüfung,
  • Name der zur Prüfung befähigten Person.
  • uvm.

Diese Montageanweisung kommt im Übrigen nicht einfach in irgendeinen Aktenordner. Sie muss dem Bauherrn bzw. der von diesem bestimmten, fachkundigen Person, welche die Gerüstarbeiten überwacht, zur Prüfung vorgelegt werden sowie den Beschäftigten direkt vor Ort zugänglich sein.

Der Plan für den Gebrauch

Zusätzlich zu dem Plan für die Montage muss es auch noch eine Gebrauchsanweisung für das Gerüst geben und ebenfalls ständig zur Verfügung stehen. Darin sind nochmals wichtige Fakten aufgezählt, die für insbesondere die Gerüstnutzer entscheidend z.B. bei der Gefährdungsbeurteilung sein können:

  • Name und Anschrift des Gerüsterstellers,
  • die Last- und Breitenklassen,
  • die Gerüstbauart,
  • die Art, Anzahl und Lage der Zugänge,
  • Verwendungsbeschränkungen

Schutzmaßnahmen beim Gerüstbau

Hier gab es einige Neuerungen, die allesamt dafür Sorge tragen sollen, dass weniger Unfälle passieren. Damit sind sowohl Abstürze während des Gebrauchs, aber auch schon bei der Montage gemeint. Hier einige überarbeitete Punkte knapp zusammengefasst:

  • Um die in der Gefährdungsbeurteilung angedachten Maßnahmen einzuhalten, muss jetzt eine ganz bestimmte Rangfolge bei der Sicherheitsausrüstung beachtet werden: 1. die technischen Möglichkeiten, 2. Auffangeinrichtungen und 3. die persönliche Schutzausrüstung.
    • Insbesondere bei der Absturzsicherung wurde nachgebessert. Diese muss nun als (meist zweiteiliger) Seitenschutz ausgeführt werden.
    • Montagegeländer sind nun ebenfalls verpflichtend. Ist das nicht möglich, können Auffangeinrichtungen (z.B. Schutznetze) eingesetzt werden.
    • Die persönliche Schutzausrüstung sollte unbedingt Helme mit Kinnriemen gemäß der DIN EN 397 umfassen.
  • Um aus Unfällen keine Todesfälle werden zu lassen, müssen die Beschäftigten vor Ort stets eine Ausrüstung zur Rettung von Abgestürzten zur Verfügung haben. Außerdem müssen sie speziell geschult sein, um eine Rettung durchführen und die hier möglichen Verletzungen richtig behandeln zu können.

Prüfung und Dokumentation durch jeden Gerüstnutzer

In der TRBS 2121-1 heißt es wörtlich: “Jeder Arbeitgeber, der Gerüste oder Teilbereiche von Gerüsten von Beschäftigten gebrauchen lässt, hat zuvor eine Inaugenscheinnahme und erforderlichenfalls eine Funktionskontrolle durch eine qualifizierte Person auf offensichtliche Mängel durchzuführen bzw. durchführen zu lassen.”

Das bedeutet, dass jeder in die Verantwortung gezogen wird. Alle Arbeitgeber der Gerüstnutzer müssen unabhängig voneinander dafür sorgen, dass ihren Beschäftigten nichts zustoßen kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn außergewöhnliche Ereignisse (z.B. Unfälle, starke Naturereignisse oder längere Nichtbenutzung) eintreten. Die Ergebnisse solcher Prüfungen sind dann ordentlich zu dokumentieren und am Einsatzort aufzubewahren, wenigstens bis zur nächsten Überprüfung.

Diese Kontrollen und Dokumentationen müssen von ebenfalls dafür qualifizierten Personen durchgeführt werden. Dazu gehören z.B. Gerüstbaumontageleiter, geprüfte Gerüstbau-Obermonteure oder Gerüstbaumeister, aber auch andere Personen aus dem Bauhandwerk, die entsprechend erforderliche Kenntnisse und Fertigkeiten im Gerüstbau haben.

Fazit: Die neuen Technischen Regelungen für Betriebssicherheit

Eingangs sagten wir es ja schon: Es ist eine schwierige Aufgabe, die richtige Balance zwischen Bürokratie und Sicherheit zu finden. Die neuen Regelungen der TRBS 2121-1 könnten gerade was die Planungs- und Dokumentationspflichten angeht als viel zu “schreibtischlastig” bewertet werden. Aber diese Pläne haben durchaus das Potential, für mehr Sicherheit und einen deutlich besseren Informationsfluss auf Baustellen zu sorgen.

Damit diese Menge an Informationen und Unterlagen praktikabel handhabbar bleibt, bietet sich die Digitalisierung des Gesamtprozesses an. Mittlerweile hat jeder Unternehmer oder Mitarbeiter ein Smartphone dabei oder auf den Firmenfahrzeugen ist ein Tablet an Bord. Damit sind die technischen Voraussetzungen gegeben, um Gerüste sowie deren Erstellungs- und Nutzungsprozess zu verwalten und zu dokumentieren. Praktisch ist hier die Nutzung einer App, in die Ersteller, Nutzer, Bauherr, SiGeKo und ggf die Kollegen der Bauberufsgenossenschaft eingebunden werden. Vorteil: Alle Daten stehen sofort zur Verfügungen und jeder Prozessteil bzw. jede Änderung wird sofort mit der Eingabe kommuniziert. Wenn das Gerüst im schlimmsten Fall gesperrt werden müsste, wissen alle Beteiligten sofort Bescheid. Unnötige Anfahrten etc. werden vermieden.

Da der Bauherr inzwischen viel stärker in die Verantwortung genommen wird, sollte dieser sich zudem unbedingt absichern. Alle ihm vorgelegten Pläne sollten von entsprechend qualifizierten Personen (z.B. Architekten oder betreuenden Ingenieuren) stets geprüft werden. Denn nur ausgebildete Fachleute können die richtigen Konsequenzen in Sachen Gerüstaufbau (z.B. nötige, andere Zugänge usw.) aus sich u.U. ändernden Gegebenheiten ableiten.

Quellen
www.der-geruestbauer.com/…/regelungen-ausfuehrung-geruestbau-betriebssicherheitsverordnung-vobc/
www.baua.de/…/TRBS-2121-Teil-1.pdf?__blob=publicationFile&v=3
www.wallstreet-online.de/…/all
www.spezialgeruestbau.de/…/neue-trbs-2121-diese-8-regeln-unverzichtbar-arbeitssicherheit-geruestbau/
www.baua.de/…/ABS-Fachveranstaltung-2018-02.pdf?__blob=publicationFile&v=1