Viele Autofahrer kennen das Problem: Brücken befahren kann eine echte Geduldsprobe werden, denn diese sind an vielen Stellen momentan baufällig und darum teilweise oder komplett gesperrt. Der Grund: Der verwendete Stahlbeton ist nicht mehr tragfähig. Um das zukünftig zu vermeiden, sucht man schon länger eine bessere Alternative. Der heißeste Kandidat aktuell ist wohl Textilbeton!
Bauen früher: Hallo Stahlbeton!
Das klassische Bauen sieht für eine bessere Stärkung des Materials und dessen Zugfestigkeit eines Bauteiles vor, dass dieses aus einem Stahlgitter erstellt wird, welches von einem Betonmantel umschlossen wird. Damit dieser auch wirklich stabil und schützend wirkt, muss er rundherum eine Dicke von mindestens 3-4 cm aufweisen. Deswegen sind Bauteile aus Stahlbeton nie schmaler als 6-8 cm. Eine filigranere Form ist so kaum umsetzbar.
Dennoch sorgt das Verfahren einige Jahre lang für ein stabiles, tragfähiges Bauwerk. Allerdings stellte man irgendwann fest, dass der Beton aufgrund der Witterung doch feine Risse entwickelt, durch welche Feuchtigkeit ins Innere eindringen und somit die Stahlarmierungen zum Rosten bringen kann. Die Folge davon ist die Instabilität der entsprechenden Teile und daraus resultierende Situationen wie eingangs geschildert.
Bauen heute: Willkommen Textilbeton!
Stahlbeton scheint also nicht mehr das optimale Baumaterial zu sein. Schon seit 1994 wird darum vornehmlich an der TU Dresden, später auch an der RWTH Aachen darum ein neuer Baustoff erforscht: Textilbeton.
Was ist Textilbeton?
Im Ansatz ist dieser Stoff vergleichbar mit Stahlbeton. Auch hier wurde ein künstlicher Verbundwerkstoff aus zwei Komponenten, Beton und einer Bewehrung, hergestellt. Allerdings wurde hier nicht Stahl als Einlage verwendet, sondern eine Textilbewehrung, wie beispielsweise alkaliresistentes Glas oder Carbon. Dieses Gewebe besteht aus Garnen, die wiederum aus Endlosfasern hergestellt wurden. Sie werden zu einer gitterartigen Struktur auf speziellen Textilmaschinen verarbeitet.
Aber auch der Beton ist ein anderer. Im Vergleich zum normalen Beton wird hier eine sehr feinkörnige, aber hochfeste Variante eingesetzt. Sie sorgt für die Abtragung der Druckspannung, stellt den Verbund mit dem textilen Gelege her und schützt dieses auch mechanisch. Allerdings hat der Beton selbst eine vergleichsweise geringere Zugfestigkeit. Doch diese wird wiederum durch die Bewehrung hergestellt.
Was sind die Vorteile des Baustoffs?
Alle Vorteile des Textilbetons hängen mit seiner geringen Dicke zusammen. Das bedeutet Folgendes: Da in diesem Verbundwerkstoff kein Stahl zum Einsatz kommt, besteht auch keine Gefahr des Rostens. Somit braucht es keine zentimeterdicken Schichten als Schutz vor der Witterung.
Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass deutlich schlankere Bauteile mit einem viel leichteren Eigengewicht produziert werden können. Für die Architektur ergeben sich so eine Vielzahl an spannenden, neuen Möglichkeiten. Außerdem braucht man dann auch viel weniger Baustoffe, was zu einer Ressourcenschonung führt und sich in Form einer geringeren Emission während der Herstellung sowie eines reduzierten Materialeinsatzes bemerkbar macht. Textilbeton ist somit deutlich nachhaltiger in seiner Produktion.
Zudem ist auch das Versagen eines Bauteiles aus diesem Stoff eher erkennbar. Textilbeton neigt nämlich zu einer äußeren Verformung, an der man seinen Zustand direkt ablesen kann. Stahlbeton hingegen weist diese Eigenschaft quasi nicht auf. Hier trennen sich unbemerkt die Komponenten voneinander und so kommt es schleichend zur Instabilität der Bauwerke. Ein hohes Sicherheitsrisiko!
Hat Textilbeton Nachteile?
Bei all den positiven Eigenschaften gibt es dennoch auch hier einen gravierenden Nachteil: Die Recyclingeigenschaften sind leider nicht sonderlich gut. Denn während Stahlbeton nach getanem Dienst sich relativ leicht wieder in seine Komponenten trennen lässt und diese auch gut verwertbar sind, ist das bei einem Stoff wie Carbonfaserbeton nicht so einfach. An dieser Problematik wird aktuell mit großem Eifer geforscht, um den Baustoff auch in der letzten Phase seines Daseins noch zu optimieren.
Kein richtiger Nachteil, sondern eher ein mögliches Risiko ist außerdem die mangelnde Langzeiterfahrung mit Textilbeton. Es fehlen einfach aussagekräftige Werte zum Verhalten des Baustoffes. Allerdings gibt es bereits erste Test-Bauwerke, die eine gute Leistung bisher erbringen und somit Mut machen, diesen Weg weiterzugehen.
Was sind die Anwendungsgebiete?
Zum einen wird Textilbeton momentan sehr viel im Bereich der Instandsetzung genutzt. Bereits bestehende Betonbauteile lassen sich mit diesem Stoff wunderbar verstärken, was auch einen guten Effekt auf die Tragfähigkeit hat. Es werden so auch z.B. die Rissbreiten deutlich verringert. Zu herkömmlichen Methoden wie Spritzbeton oder faserverstärkte Kunststoffen stellt Textilbeton also eine ernstzunehmende Alternative dar.
Aber auch neue Bauteile werden aus diesem Stoff hergestellt. Aktuell finden diese vor allem Anwendung beim Brückenbau und der Produktion von Fassadenplatten. Auch der Bau von Schalen für Dächer profitiert von diesem Material. Generell ist es überall dort beliebt, wo man sehr filigrane, maßgeschneiderte Bauteile mit dennoch gleichbleibend guten Eigenschaften benötigt.
Fazit: Textilbeton – eine Option für die Zukunft?
Betrachtet man diesen künstlichen Verbundwerkstoff also einmal von allen Seiten, wird deutlich, dass er definitiv unfassbar viel Potential mit sich bringt. Kein Wunder, dass die stetige Forschung und Weiterentwicklung des Materials noch immer von vielen Seiten unterstützt wird. Das erklärte Ziel ist: Bis 2030 sollen bei Neubauten mindestens 20 % der Stahlbewehrung durch Carbonbewehrung ersetzt werden. Eine spannende und absolut zukunftsorientierte Entwicklung kann hier also erwartet werden!